DÜW-Journal - page 13

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Wissenswertes rund um den Biber
„Ob Wolf oder Luchs oder Bär,
egal, was wir alles so wiederkrie-
gen: Der Biber ist der einzige,
der aktiv seinen Lebensraum
gestaltet.“ Das, und die Tatsache,
dass Biber vegan leben, fasziniert
Biologin Stefanie Venske vom
Biberzentrum Rheinland-Pfalz
besonders an dem Nagetier, das
fast hundert Jahre lang in weiten
Teilen Deutschlands nahezu aus-
gerottet war. Hauptgrund dafür
war die Überjagung der Pelze
wegen: Der Biber besitzt eines
der dichtesten Felle im Tierreich.
An der Bauchunterseite befinden
sich 23.000 Haare pro Quadrat-
zentimeter, beim Mensch sind es
durchschnittlich 300 auf dem
Kopf. Heute ist der Biber in sei-
nen europäischen Populationen
nach der Bundesartenschutzver-
ordnung eine vom Aussterben
bedrohte und naturschutzrecht-
lich streng geschützte Tierart.
Danach ist es verboten wildle-
benden Bibern nachzustellen, sie
zu fangen, zu verletzen, zu töten
oder ihre Wohn- und Zuflucht-
stätte zu beschädigen oder zu
zerstören, sowie Biber aufzusu-
chen oder zu stören.
Der Biber ist auch auf der Grund-
lage der EU-Richtlinie „Fauna,
Flora, Habitate“ bei den streng zu
schützenden Tier- und Pflanzen-
arten von gemeinschaftlichem
Interesse eingeordnet. Aber der
Biber hat noch mehr Besonder-
heiten: Er ist nach dem südameri-
kanischen Wasserschwein das
zweitgrößte Nagetier der Erde
und das größte Europas. Seine
Kelle ist multifunktional: beim
Schwimmen und Tauchen dienst
sie als ideales Höhen- und Sei-
tenruder sowie zum Balancieren,
an Land dient sie als Stütze. Au-
ßerdem wird sie zur Kommuni-
kation unter den Bibern einge-
setzt und dient der Fettreserve
für Notzeiten. Die Nagezähne
wachsen ein Lebenlang nach und
schärfen sich selbst.
|
GH
Info: Biberzentrum RLP: 06393/
993406,
„Das sind typische Spuren“. Katharina
Glaser, Landespflegerin der Kreisver-
waltung Bad Dürkheim, zeigt schon we-
nige Meter vom Parkplatz entfernt auf
ein unscheinbares Zweigstück, das an
Ufernähe im Isenachweiher schwimmt.
„Wenn nackte Zweige im Wasser trei-
ben, ist das immer ein Zeichen dafür,
dass dort ein Biber lebt. Biber ernäh-
ren sich von den Blättern und der Rin-
de“, erklärt Stefanie Venske vom Na-
tur-Erlebnis-Zentrum Wappenschmie-
de der Gesellschaft für Naturschutz und
Ornithologie (Gnor) im westpfälzischen
Fischbach/Dahn. Wie Katharina Glaser
freut auch sie sich darüber, dass ein Bi-
ber zugewandert ist und sich offenbar
dafür entschieden hat, eine Weile zu
bleiben: „Wir freuen uns über jeden Bi-
ber in Rheinland-Pfalz, weil es eine aus-
gerottete Tierart war, die sich jetzt wie-
der weiter ausbreitet“, sagt sie.
Und wer den Blick für seine Bissspu-
ren erst mal geschärft hat, dem fällt bald
auf, dass der putzige Wahlpfälzer über
einen recht guten Appetit zu ver-
fügen scheint: Da finden sich Bäu-
me mit eingekerbtem Stamm, als
hätte jemand rundum die Axt an-
gesetzt, an anderen fehlt die Rin-
de, ein Exemplar hat er sogar ge-
fällt – faszinierenderweise genau
so, dass die Krone ins Wasser ge-
fallen ist. So kann er prima das Laub
verputzen und die Zweige entrinden.
Dass am Isenachweiher nicht wie in na-
türlichen Auewäldern schnell wachsen-
de Weichhölzer vorherrschen, sondern
am Wegrand auch schöne alte Buchen
stehen, macht es dem Biber nicht ganz
einfach, sich durchzubeißen. Dieser Bi-
ber scheut die Herausforderung aber
offenbar nicht – zum Leidwesen man-
ches Menschen, der eine andere Vor-
stellung von perfekter Landschaftsge-
staltung haben mag. Interessant ist die
Spurensuche allemal. So fällt bald ein
seltsamer Reisighaufen in den Blick, der
sich an der Böschung auftürmt: die Bi-
berburg. „Der Mittelbau am Hang, wie
wir das nennen, deutet darauf hin, dass
der Biber erst einmal eine Weile hier
bleiben möchte“, erörtert Venske. Es sei
jedoch nicht ausgeschlossen, dass der
Biber irgendwann wieder abwandere,
falls ihm kein passender Partner über
den Weg schwimme. Wird die Burg
aber größer oder stärker, dann ist das
laut Venske ein Indiz dafür, dass die Fa-
milienplanung ansteht.
Den Biber selbst bekommt man selten
zu Gesicht: Er ist dämmerungs- und
nachtaktiv und dreht seine Runden meist
erst dann, wenn Ausflügler in der Re-
gel schon wieder den Heimweg ange-
treten haben. Am viel frequentierten
Isenachweiher mit seinem Ausflugslo-
kal hat er seine Burg allerdings auf ei-
nem Präsentierteller gebaut, was den
Beobachtungswert durchaus steigert.
Schließlich kann man die Tierart selten
so hautnah studieren. Wer sich dafür
interessiert, findet entsprechende Hin-
weise auf einer Infotafel am Weg. Und
bis dato ist dieser Artgenosse im
kompletten Landkreis der einzige
in freier Wildbahn: Sein nächster
Nachbar lebt am Silbersee in
Bobenheim-Roxheim.
Doch nicht allein deswegen ist der
Bad Dürkheimer schon jetzt der
wohl am intensivsten beobachtete
Biber weit und breit. Am Isenachwei-
her gilt für die Stadt Bad Dürkheim die
Verkehrssicherungspflicht. Und wer Bäu-
me fällt, steht unter ganz besonderer
Aufsicht: Regelmäßig werden die Fraß-
spuren unter die Lupe genommen und
angenagte Bäume markiert, die even-
tuell aus Sicherheitsgründen „entnom-
men werden müssen“, wie Landespfle-
gerin Katharina Glaser erklärt. Weil Bi-
ber aber nun mal eifrig und aktiv ihre
Umwelt gestalten, muss die Stadt recht
häufig Begehungen einplanen.
Umgekehrt sind Biber aber überaus
wertvoll für die Artenvielfalt. „Es gibt
Biberreviere, wo die Tiere wunderba-
re Biotope geschaffen haben“, erzählt
Venske aus Erfahrung. Sie kenne dunk-
le Täler, die der kleine Holzfäller in ar-
tenreiche lichte Auelandschaften ver-
wandelt habe. „Lichtliebende Pflanzen
stellten sich ein, das Totholz dient Kä-
fern als Lebensraum, und auf einmal ist
die Libelle wieder da!“
|
Gisela Huwig
Veganer: Laub und Rinde sind des Bibers Leibgericht.
Foto: Pixabay/Skeeze
Mittelbau am Hang: die Biberburg
am Isenachweiher.
Foto: Stefanie Venske
Vor der Infotafel: Stefanie Venske.
Foto: Stadt Bad Dürkheim/Georg Freundlieb
Mag auch Hartholz: Nagespuren des
Bibers an einer Buche.
Foto: KV/Glaser
Baum fällt (demnächst): Kerbe wie
mit der Axt geschlagen.
Foto: KV/Glaser
Ein Biber mit Biss
Vertreter der streng geschützten Rote-Liste-Art macht es sich am Isenachweiher wohnlich
Er hat eine besondere Eigenart: Der Biber, der sich vor einigen Monaten am Isenachweiher bei Bad Dürkheim an-
gesiedelt hat und sich dort sichtlich wohl fühlt, mag auch Hartholz. So geht es also der ein oder anderen Buche am
Bachufer an die Rinde, aber Naturschützer freuen sich über den tierischen Zuwanderer trotzdem „wie Bolle“.
Es gibt Biberreviere, wo die
Tiere tolle Biotope mit großer
Artenvielfalt geschaffen haben.
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